Du betrachtest gerade Das vegetative Nervensystem beruhigen – die besten Techniken

Das vegetative Nervensystem mit Sympathikus und Parasympathikus hat Einfluss auf sämtliche Körperfunktionen. Dazu zählen die Verdauung, die Wärmeregulierung, der Blutdruck, die Pulsrate, die Ausschüttung von Hormonen, die Fortpflanzung, der Schlaf und vieles mehr. Dabei ist das vegetative Nervensystem nicht direkt ansteuerbar. Es heißt daher auch autonomes Nervensystem. Während Sie durch Willenskraft den Arm heben oder die Augen schließen können, ist ein willkürlicher Einfluss auf den Herzschlag oder Darmperistaltik nicht möglich. Durch Entspannungstechniken wie tiefe Bauchatmung, autogenes Training oder Techniken aus dem Yoga Nidra können Sie dennoch Einfluss nehmen und das Nervensystem beruhigen.

Sympathikus und Parasympathikus – wer steuert was?

Sympathikus und Parasympathikus sind die beiden Anteile des vegetativen Nervensystems. Sie arbeiten genau entgegengesetzt. Der Sympathikus wird aktiviert, wenn der Mensch in Gefahr gerät. Der „Kampf- oder Flucht-Modus“ ist an. Ziel ist es, den Körper schnell aus der Gefahrensituation hinauszubewegen. Wir rennen entweder weg oder bekämpfen die Gefahr. (Auf die Parasympathikus-vermittelte Reaktion der Erstarrung bei Todesgefahr werde ich in einem späteren Artikel eingehen.) Der Sympathikus versetzt den Körper also kurzzeitig in erhöhte Leistungsbereitschaft und drosselt gleichtzeitig für das akute Überleben unwichtige Funktionen. Der Sympathikus bewirkt unter anderem folgende Körperreaktionen:

  • Adrenalin wird ausgeschüttet und bei länger anhaltendem Stress Cortisol
  • Herzfrequenz und Blutdruck steigen
  • die Muskelspannung erhöht sich
  • die Atemfrequenz steigt
  • Mehrdurchblutung der Skelettmuskulatur
  • geringere Durchblutung von Haut, Darm und Nieren
  • Zuckerfreisetzung in der Leber
  • Drosselung aller Verdauungsfunktionen wie Speichelfluss, Darmbewegungen und die Sekretion von Verdauungssäften
  • Drosselung der Fortpflanzungsfunktionen
  • erhöhte Schweißsekretion
  • Ausblendung von Reizen, die für das unmittelbare Überleben nicht wichtig sind
  • der Mensch ist wachsam und angespannt

Ist die Gefahr gebannt, kann sich der Mensch entspannen und der Parasympathikus übernimmt wieder das Ruder. Der Parasympathikus ist zuständig für Entspannung, Verdauung, Schlaf, Fortpflanzung und Geselligkeit. Er bewirkt daher die genau entgegengesetzten Körperreaktionen:

  • Herzfrequenz und Blutdruck sinken
  • die Muskeln entspannen sich
  • der Atem wird ruhig und langsam
  • gute Durchblutung von Haut und Organen
  • Speichelfluss, Darmperistaltik und Verdauungssäfte für optimale Verdauung
  • der Mensch ist ruhig, gelassen und seinen Mitmenschen zugewandt

Im Optimalfall regiert der Parasympathikus die meiste Zeit des Tages und in der Nacht. Kurze Stressphasen aktivieren den Sympathikus, dann kehrt wieder Ruhe ein.

Folgen von chronischem Stress

Leider begünstigt der Alltag vieler Menschen, dass der Sympathikus im vegetativen Nervensystem überwiegt. Der Körper unterscheidet dabei nicht, ob wir von einem Säbelzahntiger bedroht werden oder der/die Vorgesetzte uns anbrüllt, wir Geldsorgen oder Streit mit dem Partner oder der Partnerin haben. Die physiologische Stressreaktion ist immer dieselbe.

Aus den oben beschriebenen Körperreaktionen, die auf eine Sympathikusaktivierung folgen, können Sie ableiten, was Langzeitstress mit dem Körper macht. Wir leiden unter hohem Blutdruck und Muskelverspannungen. Wir atmen flach in den oberen Brustkorb, vielleicht mit Atemaussetzern. Hände und Füße sind kalt und ggf. schwitzig. Die Verdauung ist gestört und Blähungen, Durchfälle oder Verstopfung sind die Folge. Durch die ständige Zuckerfreisetzung aus der Leber werden Insulinresistenz und Diabetes begünstigt. Die Libido sinkt und bei Frauen kann es zu einem gestörten Zyklus bzw. einem Ausbleiben des Eisprungs kommen. Ein hormonelles Ungleichgewicht auch der Sexualhormone ist die Folge.

Chronischer Stress macht uns auch weniger empathisch und mitfühlend, da das Befinden unserer Mitmenschen leider unter „für mein eigenes Überleben irrelevanter Reiz“ fällt. Wir werden unkonzentriert, angespannt und reizbar. Dauert dieser Zustand länger an, können sich depressive Phasen häufen oder sich sogar eine Depression entwickeln. Um so wichtiger also, dass wir lernen, unser vegetatives Nervensystem zu beruhigen.

Das Nervensystem beruhigen: Effektive Entspannungstechniken

Entspannungstechniken zielen immer darauf ab, den Parasympathikus zu aktivieren und damit das Nervensystem zu beruhigen. Ich möchte Ihnen hier drei effektive Techniken vorstellen, mit denen ich in meiner Praxis in Leipzig oft arbeite.

Tiefe Bauchatmung

Sie haben sicher schon einmal bemerkt, dass sich Ihre Atmung verändert, wenn Sie in Stress geraten oder angespannt sind. Sie atmen flacher, vielleicht ruckartig, mit Pausen zwischen Aus- und Einatmung. Außerdem verschiebt sich die Atmung nach oben: Sie atmen nicht mehr in den Bauch, sondern vor allem in den Brustkorb. Tatsächlich habe in meiner Praxis auch schon oft chronisch gestresste Menschen gesehen, die so weit oben atmen, dass sich ihre Schultern bei der Einatmung nach oben bewegen. Und manch eine/r hat sogar verlernt, welche Muskeln für die Bauchatmung angesteuert werden müssen: nämlich das Zwerchfell.

Genauso, wie das vegetative Nervensystem die Atmung beeinflusst, können wir über die bewusste Bauchatmung das Nervensystem beeinflussen. Dabei ist es wichtig, dass Sie nicht die Bauchmuskeln für die Atmung einsetzen, sondern das Zwerchfell. Der Bauch bleibt vollkommen entspannt. Auch die Atemhilfsmuskulatur hat Pause. Das Zwerchfell ist unser Hauptatemmuskel. Wenn Sie ein Baby beim Atmen beobachten, können Sie sehen, wie es noch ganz natürlich in den Bauch atmet. Die tiefe Bauchatmung beruhigt dabei nicht nur das Nervensystem, sondern massiert auch gleichzeitig die inneren Organe und unterstützt den Lymphfluss.

So geht’s:
  1. Legen Sie sich auf den Bauch und fassen Sie Ihre Ellenbogen mit den Händen. Legen Sie Ihre Stirn auf den Unterarmen ab. Finden Sie einen guten Abstand, sodass Ihre unteren Rippen noch auf der Matte liegen und die Schultern leicht angehoben sind.
  2. Winkeln Sie Ihre Knie an, öffnen Sie die Beine und rotieren sie leicht nach außen. Strecken Sie Ihre Beine dann auf der Matte aus. Die Innenseiten der Füße liegen dabei auf dem Boden auf. Diese Körperhaltung wird Makarasana genannt.
  3. Entspannen Sie Ihre Schultern, Ihre Arme, den Nacken und den Bauch. Entspannen Sie auch Ihre Beine auf dem Boden.
  4. Atmen Sie nun tief und gleichmäßig durch die Nase. Sie merken, wie sich der Bauch dabei passiv gegen den Untergrund drückt. Mit etwas Übung können Sie Ihr Zwerchfell arbeiten spüren. Atmen Sie sehr ruhig und versuchen Sie nach und nach, den Atem weicher und ebenmäßiger werden zu lassen. Lassen Sie Ihre Einatmung ohne Pause in die Ausatmung übergehen und Ihre Ausatmung ohne Pause in die Einatmung. Es kann helfen, sich eine Sinuskurve beim Atmen vorzustellen oder Wellen, die an den Strand spülen und sich in derselben Bewegung wieder zurückziehen.
  5. Bleiben Sie mindestens fünf Minuten in dieser Haltung liegen und atmen Sie. Sie können die Zwerchfellatmung in Makarasana auch gerne länger praktizieren.
  6. Legen Sie dann die Arme rechtwinklig neben dem Kopf ab. Legen Sie Ihr Gesicht auf einer Wange ab. Atmen Sie genauso weiter wie bisher.
  7. Führen Sie dann Ihre Beine wieder zusammen und lassen Sie die Fersen nach außen fallen. Drehen Sie Ihr Gesicht auf die andere Seite und atmen Sie weiter tief mit dem Zwerchfell in den Bauch.
  8. Als letztes drehen Sie sich entweder auf den Rücken und atmen noch einige Minuten in dieser Haltung weiter. Oder Sie ruhen noch einige Atemzüge in der Kindhaltung und entlasten dabei den unteren Rücken.

Zwerchfellatmung üben Sie am besten auf nüchternen Magen. Gute Zeiten sind vor dem Frühstück oder vor dem Schlafengehen.

Autogenes Training

Autogenes Training ist eine der am besten erforschten Entspannungstechniken. Es wurde in den 20er Jahren in Deutschland entwickelt. Beim Autogenen Training stellen sich die Anwendenden bestimmte Entspannungszeichen im Körper vor, zum Beispiel Schwere und Wärme in den Gliedmaßen. Diese Vorstellungen sind an bestimmte kurze Sätze oder Formeln gebunden. Durch die Vorstellung und nach einiger Zeit des Übens setzt der Körper diese Entspannungsreaktion um. Mit dem Autogenen Training können Sie bei regelmäßiger Übung nicht nur Ihr Nervensystem beruhigen, sondern sehr tiefe Entspannungszustände erreichen.

Wir konzentrieren uns beim AT zwar auf körperliche Entspannungszeichen, haben damit aber auch Einfluss auf die geistige Entspannung. So wie sich der Körper anspannt, wenn wir in Sorgen sind, Angst haben oder wütend sind, so entspannt er sich, wenn wir emotional ausgeglichen und ruhig sind. Diese Reaktion funktioniert auch andersherum: Entspannen wir den Körper, beruhigt sich auch der Geist und Sorgen, Ängste und andere Formen von Stress können gemindert werden. Beim Autogenen Training setzen wir also an den körperlichen Entspannungszeichen an, um Körper und Geist zu beruhigen.

Nervensystem beruhigen mit Yoga Nidra

Die Entspannungstechniken des Yoga Nidra (Yoga-Schlaf) gehören zu den effektivsten Methoden zur Beruhigung des Nervensystems überhaupt. Yoga Nidra ist ein Zustand von tiefster Entspannung, in dem der Geist schläft und dennoch bewusst ist. Diesen Zustand erreichen die Anwendenden in der Regel erst nach längerer Übung der Yoga-Nidra-Techniken. Doch auch ohne jenen bewussten Schlafzustand zu erreichen wirken die Entspannungstechniken aus dem Yoga sehr regenerativ, beruhigend und zutiefst wohltuend für das vegetative Nervensystem.

Wer schon einmal Yoga gemacht hat, ist vielleicht schon in den Genuss einer angeleiteten Schlussentspannung gekommen. In Savasana liegend und warm zugedeckt, wandern die Übenden mit ihrer Aufmerksamkeit durch den Körper. Wo das Bewusstsein ein Körperteil berührt, setzt eine sofortige Entspannung ein. Es gibt verschiedene Herangehensweisen. Sie können langsam vom Kopf zu den Füßen wandern und wieder nach oben. Je detaillierter Sie dabei vorgehen und je mehr Zeit Sie sich lassen, desto tiefer kann die Entspannungsreaktion ausfallen. Oder Sie gehen mit Ihrer Wahrnehmung nacheinander durch bestimmte 31 bzw. 61 Punkte im Körper. Eine Einstiegsübung ist auch, Körperteile zuerst anzuspannen und dann bewusst zu entspannen – ähnlich wie bei der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsson.

Die Entspannungstechniken des Yoga Nidra können Sie in meinen Kursen in Leipzig-Plagwitz erlernen.