You are currently viewing Alternative Ernährungsformen Teil 1: Die Vollwerternährung

Alternative Ernährungsformen Teil 1: Die Vollwerternährung

In dieser Beitragsreihe möchte ich Ihnen verschiedene alternative Ernährungsformen kurz vorstellen. Im ersten Teil geht es um die Vollwerternährung, welche in ihren Grundsätze bis in die Zeit um 1900 zurückreicht. Bekannte Vorreiter waren unter anderem Pfarrer Sebastian Kneipp und der Erfinder des Müsli, Maximilian Bircher-Benner. Heute folgen dieser alternativen Kostform etwa 4 Mio. Menschen allein in Deutschland.

Mehr als ein Gesundheitsprogramm

Das besondere an der Vollwerternährung ist, dass sie nicht nur die Gesundheit des/der Einzelnen im Auge behält. Vielmehr streben die Anwendenden dieser Kostform darüber hinaus eine umweltfreundliche, sozialverträgliche und wirtschaftlich faire Ernährungsweise an.

Lebensmittel werden nach sieben “Werten” beurteilt: Genusswert, Eignungswert, Gesundheitswert, psychologischer, soziokultureller, ethischer und ökologischer Wert. Danach lassen sich die sieben Grundsätze der Vollwertkost erstellen.

Die 7 Grundsätze der Vollwerternährung

  1. Die Speisen sollen dem Individuum bekommen und schmecken. Unverträglichkeiten und Abneigungen werden unbedingt berücksichtigt.
  2. Pflanzliche Lebensmittel werden bevorzugt. Eine Ausnahme ist die Empfehlung, täglich ca. 300 Gramm Milchprodukte zu sich zu nehmen, um sich ausreichend mit Vitamin D und Vitamin B12 zu versorgen. Gründe für die laktovegetabile Lebensmittelauswahl sind zum einen die hohe Nährstoffdichte bei niedrigerer Energiedichte. Außerdem könne durch eine überwiegend pflanzliche Ernährung die Massentierhaltung vermieden werden, was den ethischen und ökologischen Wert der Nahrung steigert.
  3. Die Lebensmittel sollten möglichst gering verarbeitet sein und schonend zubereitet werden. Lebensmittelzusatzstoffe und Gentechnik haben bei der Vollwerternährung keinen Platz. Rohkost macht etwa die Hälfte der täglichen Nahrungsmenge aus – sofern der/die Einzelne sie verträgt.
  4. Die Anwendendenden sollten ökologisch erzeugte, regionale und saisonale Lebensmittel bevorzugen. Dies garantiert ein Höchstmaß an Nährstoffen sowie die bestmögliche Umweltfreundlichkeit. Durch die Unterstützung regionaler Höfe wird auch der soziale Aspekt bedient.
  5. Die Produkte sollten gar nicht oder umweltfreundlich verpackt sein.
  6. Fair gehandelten Produkten ist Vorzug zu geben, um den Produzierenden ein ausreichendes Einkommen und Existenzsicherheit zu gewährleisten.

Zu diesen Punkten finden Sie ausführliche Erläuterungen in dem Buch “Vollwert-Ernährung” (Karl von Koerber/Thomas Männle/Claus Leitzmann: Vollwert-Ernährung. Konzeption einer zeitgemäßen und nachhaltigen Ernährung. Stuttgart 2004).

Lebensmittelauswahl der Vollwerternährung

Die Vollwertkost basiert auf einer überschaubaren Lebensmittelauswahl:

  • viel Obst und Gemüse, davon etwa die Hälfte als Rohkost
  • Vollkorngetreide
  • Hülsenfrüchte
  • Nüsse, Ölsamen und Ölfrüchte (maßvoll)
  • kalt gepresste Speiseöle und Speisefette, Butter, ungehärtete Pflanzenmargarine
  • Milch und Milcherzeugnisse (maßvoll)
  • Wenig oder kein Fleisch, Fisch, Eier
  • Getränke: Wasser, Früchte- und Kräutertees, verdünnte Frucht- und Gemüsesäfte
  • Reichlich Kräuter und Gewürze, wenig jodiertes Speisesalz
  • Obst, ungeschwefeltes Trockenobst und nicht wärmegeschädigter Honig

Dabei ist immer die Rede von unverarbeitetem Obst und Gemüse, Vollkornbrot ohne chemische Zusätze, Milchprodukten aus ökologischer Erzeigung etc. Beispiel: Ein Bio-Naturjoghurt mit Bio-Erdbeeren ist vollwertig, ein konventioneller Erdbeerjoghurt aus dem Supermarkt nicht. Letzterer enthält Zucker, Zusatzstoffe und Milch aus konventioneller Tierhaltung.

Vor- und Nachteile der Vollwertkost

Wie Sie sicher gesehen haben, hat die Vollwerternährung deutlich mehr Vorteile als Nachteile.

+ keine chemischen Zusatzstoffe, kein Zucker, kein Weißmehl
+ überwiegend pflanzliche Kost mit hoher Nährstoffdichte
+ gut in den Alltag integrierbar
+ leicht nachvollziehbare Grundsätze
+ umwelt- und sozialverträglich

– relativ hoher Getreideanteil, damit eher kohlenhydratbasiert

Die klassische Vollwertkost enthält reichlich Vollkornbrot, Vollkornnudeln und Müsli. Sie können sich aber selbstverständlich auch vollwertig ernähren, wenn Sie diese Lebensmittel reduzieren und statt dessen mehr Gemüse und/oder Hülsenfrüchte essen.

Für wen ist die Vollwerternährung geeignet?

Die Vollwerternährung ist für Sie geeignet, wenn Sie eine gesündere, nährstoffreiche und außerdem einfach umzusetzende Ernährungsform suchen. Sie müssen anders als beispielsweise bei der Paleo-Ernährung oder beim Veganismus auf keine Lebensmittelgruppen verzichten (chemische Zusätze und Zucker zählen hier nicht als Lebensmittelgruppe).

Die Vollwertkost ist neben der vegetarischen Ernährung am besten in den Alltag der westlichen Welt zu integrieren. Es gibt keine Verbote oder Gebote. Die Grundsätze sind als Richtlinien zu verstehen. Es spricht beispielsweise nichts dagegen, sich im Alltag vollwertig zu ernähren und bei Omas 60stem Geburtstag ein Stück Kuchen zu genießen – dabei berücksichtigen Sie nämlich den Genusswert sowie den psychologischen und soziokulturellen Wert des Stücks Kuchen.

Vollwertkost ist weniger geeignet für Menschen, die ungern bereit sind, für hochwertige Lebensmittel etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Wenn Sie Ihr Essen nicht gern selbst zubereiten (aus unverarbeiteten Lebensmitteln), sind Sie von der Vollwerternährung vielleicht bald überfordert. Auch Fleisch-Fans werden sich langfristig mit der laktovegetabilen Kost nicht wohlfühlen und sollten sich eher in Richtung Paleo-Küche informieren. Schließlich gibt es auch besser geeignete alternative Ernährungsformen für Menschen, die sich kohlenhydratarm ernähren möchten oder ganz auf Getreide verzichten.

In meiner Heilpraktiker-Praxis in Leipzig berate ich zu Vollwerternährung, Paleo-Diät, Vegetarismus und Veganismus. Sie können sich auch mit dem Wunsch einer kohlenhydratreduzierten Kost an mich wenden. Weitere Informationen finden Sie unter Ernährungsberatung.